ÜBERSETZUNG


Aus dem Französischen von Katharina Triebner-Cabald: Max Lobe: Vertraulichkeiten (akono Verlag)
Über das Buch
Die alte Frau Mâ Maliga berichtet in VERTRAULICHKEITEN von ihrem Widerstand gegen die Kolonialmacht, der Unabhängigkeitsbewegung, von Krieg und Armut in Kamerun. Der in der Schweiz lebende Autor Max Lobe hat die redselige schelmische Zeitzeugin in seiner Heimat aufgesucht und hält ihre Schilderungen literarisch fest, dabei zugleich immer die eigene Perspektive des Ausgewanderten reflektierend. Im Gespräch trinkt Mâ Maliga reichlich Palmwein und lässt auch den Besucher davon kosten. In einer Mischung aus leichter Trunkenheit und tiefer Ernsthaftigkeit erfahren wir so auf unvergessliche Weise von der Geschichte der Unabhängigkeit Kameruns.
Zur Begründung der Jury
Katharina Triebner-Cabald lässt in ihrer Übersetzung die deutschsprachigen Leser*innen an einem Stück kamerunischer Geschichte und den fatalen spätkolonialen Spuren Deutschlands darin teilhaben. Für die melodiöse und humorvolle Oralität der Stimme von Mâ Maliga und die pointierten Beobachtungen des Ich-Erzählers hat Katharina Triebner-Cabald überzeugende deutsche Entsprechungen gefunden.
Über die Autorin
Katharina Triebner-Cabald, 1986 in Coburg geboren, arbeitet als freie Übersetzerin in Frankreich. Ihre Übersetzung von Max Lobes LA TRINITÉ BANTOUE erschien 2020 unter dem Titel DREI WEISE AUS DEM BANTULAND im Austernbank Verlag und wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst als eines der 10 besten Independent-Bücher Bayerns gekürt.
Leseprobe
Weißt du, mein Sohn, hier bei uns will man immer noch nicht sehr über Um Nyobè sprechen. Wenn du Fragen zu Um Nyobè stellst und dazu, was wirklich mit ihm geschah, werden dir alle, die es erlebt haben, nur antworten, dass es Vorkommnisse gab. Die Vorkommnisse. Niemals wird irgendjemand dir genau sagen, um welche Vorkommnisse es sich handelte. Wuyè! Man wird dir nur sagen, dass es zu viele Tote gab. Dass die Erinnerungen so schwer wiegen wie der Felsen von Ngog-Lituba. Dass man nicht einfach so daran rütteln und all den Staub aufwirbeln will, der sich darunter verbirgt. Unser Präsidenten-Papa sagte sogar im Fernsehen – und ich schwöre dir, dass ich ihn dabei mit eigenen Augen sah, als ich noch meinen Fernsehapparat hatte – dass wir einen Schlussstrich ziehen müssen. Er sagte, es gäbe Zeiten, in denen man sich mit Steinen bewerfe, und Zeiten, in denen man sich in den Armen läge. Er sagte, dass nun die Zeit gekommen sei, sich in den Armen zu liegen, und schnell-schnell diese Geschichten da von Um Nyobè zu vergessen. Sie zu vergessen, weil sie uns nicht voranbringen würden in unserer heutigen Welt. Ach mein Sohn, wenn ich nur meinen Kopf hier öffnen könnte und alle Vorkommnisse von da drinnen herausnehmen könnte, dann würde ich alles-alles einfach so vergessen, wie unser Präsidenten-Papa es von uns verlangt. Aber da das nicht möglich ist, wird es schwierig werden, zu tun, was ersagt.