ÜBERSETZUNG


Aus dem Schwedischen von Antje Rávik Strubel: Monika Fagerholm: Wer hat Bambi getötet? (Residenz Verlag)
Über das Buch
WER HAT BAMBI GETÖTET? der preisgekrönten finnlandschwedischen Autorin Monika Fagerholm erzählt von den Folgen einer Gruppenvergewaltigung in einem eleganten Villenviertel bei Helsinki. Die Täter: vier Jungen aus wohlhabendem Elternhaus, reich, verwöhnt und großspurig. Das Mädchen Sascha, die am Partyabend im Keller der Familie Häggerts dem Unaussprechlichen ausgesetzt ist, will jedoch kein Opfer sein, kein Bambi. Unerbittlich, bissig und vielstimmig porträtiert Monika Fagerholm eine egozentrische Gesellschaft; ihr Roman entwickelt dabei eine intensive Sogwirkung und lässt die Leser*innen nicht mehr los.
Zur Begründung der Jury
Fagerholms Gesellschafts- und Medienkritik zieht diverse Sprachregister und arbeitet mit rasanten Tempo-Wechseln. Genau das ist die Herausforderung an die Übersetzung, und darüber hinaus: Jeder Episode und jeder Figur ihren eigenen präzisen Ton zu geben und zugleich alles zu einem Gesamtkunstwerk zu fügen, dem eine Grundambivalenz erhalten bleibt. Die Verunsicherung der Lesenden bei gleichzeitiger Souveränität der Erzählhaltung ist die Stärke des Romans und muss auch die Übersetzung leisten.
Über die Autorin
Antje Rávik Strubel, 1974 in Potsdam geboren, ist Schriftstellerin und Übersetzerin. Für ihre Romane erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, zuletzt wurde sie für ihren Roman BLAUE FRAU (S. Fischer, 2021) mit dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgezeichnet. Sie übersetzt aus dem Englischen und Schwedischen, u. a. Joan Didion, Lucia Berlin und Virginia Woolf.
Leseprobe
Nathan in der Sonne. In seinem Atrium, im Untergeschoss des Geisterschiffs. Mindestens hundert Quadratmeter, große Fenster vom Boden bis zur Decke, die zum Kaltsee hinausgehen, mit Badesteg, nur einen Steinwurf vom Eingang zu Nathans Zimmer entfernt – eine ganze Wohnung mit Sauna und Jacuzzi.
Nathan, der tanzt, die Augen geschlossen, allein auf einem riesigen Parkett, leere leere Fläche.
Being in a Band called the Disciples, high on –
Time. Time.
Prince immer Prince, Nathan liebt Prince.
Nathan tanzt. Sie sind vielleicht viele dort, aber so ohrenbetäubend ist nur einer: Nathan.
Nathan, der allein tanzt – und die Augen öffnet.
(…) Und plötzlich, hier im Villenviertel, jetzt auf der Sonnenscheinstraße, genau an diesem Montagvormittag im September 2014, sechs Jahre danach: ist alles um Gusten herum, die Straße, der Gehweg, der viel zu schwüle warme Tag (Altweibersommer, Gewitter in der Luft, schon seit Tagen) – so, als wäre es gestern gewesen, nicht lange her – und doch völlig anders. Neu.
Als befände man sich plötzlich auf einem neuen Planeten. Oder eher auf einem alten, einem, der unbewohnbar geworden ist für alles menschliche Leben, leider, leider, weshalb man ihn verlassen musste und die Jahre zwischendurch damit verbracht hat, frei im Raum zu schweben.