ÜBERSETZUNG

Portraitfotografie von Ki-Hyang Lee
© privat
Cover des Buchtitels "Der Fluch des Hasen"

Aus dem Koreanischen von Ki-Hyang Lee
Bora Chung: Der Fluch des Hasen (CulturBooks)

Über das Buch

„Der Fluch des Hasen“ spielt mit einer Vielzahl literarischer Formen und Stimmen. Vom magischen Realismus über Horror bis hin zur Spekulativen Fiktion arbeitet die südkoreanische Autorin Bora Chung fernab jeder Schublade. Ki-Hyang Lee hat die zehn geistreichen Kurzgeschichten ins Deutsche übersetzt und dabei sowohl für den hintersinnigen Humor als auch für die Schilderungen des realen Schreckens eine passende Übertragung gefunden. Wie der Hase schlagen auch die Erzählungen Haken; voller blitzgescheiter Wendungen scheinen dabei unter jeder noch so alltäglichen Situation die Grausamkeiten unserer modernen Zeit hervor.

Zur Begründung der Jury

Bora Chung leuchtet die Abgründe der südkoreanischen Gesellschaft bedrohlich hell aus. Oft könnten sie auch unsere sein: das patriarchale Gesundheitssystem beschert einer jungen Frau eine unbefleckte Empfängnis, die wohlständigen Ausscheidungen einer anderen Frau reproduzieren sich. Oder sie? Ki-Hyang Lee hat Chungs bizarre Kurzgeschichten in eine pointierte und leicht neben die Norm gesetzte deutsche Prosa gebracht, die dem Absurden und Unheimlichen im Deutschen eine angemessen eigenartige Form gibt.

Über die Autorin

Ki-Hyang Lee, geboren 1967 in Seoul, studierte Germanistik, Pädagogik und Japanologie in Seoul, Würzburg und München. Sie lebt in München, arbeitet dort als Dozentin an der Universität und ist Übersetzerin und Verlegerin des Märchenwald Verlags. Zu ihren zahlreichen Übersetzungen zählen Han Kangs »Die Vegetarierin« (Aufbau, 2017), Cho Nam-Joos »Kim Jiyoung, geboren 1982« (Kiepenheuer & Wietsch, 2021) oder Kim Hye-Jins »Die Tochter« (Hanser, 2022), dazu übersetzte sie Autor:innen wie Hwang Sun-Won, Jooyoung Kim, I-Seol Kim, Haemin Sunim, Sung-U Lee, Do Hyun Ahn, Song Sok-ze, Jong-Rae Jo u. a.

Leseprobe

»Gegenstände, die dafür bestimmt sind, mit einem Fluch belegt zu werden, sollten besonders hübsch sein«, pflegte mein Großvater zu sagen.

Und die Lampe war ausgesprochen niedlich. Sie hatte die Form eines Hasen, der unter einem Baum sitzt. Der Baum wirkte etwas plump, aber der Hase war mit großer Sorgfalt ausgestaltet. Die Spitzen der Ohren und das Schwänzchen waren ebenso tiefschwarz wie seine Augen, sodass sich der Körper schneeweiß dagegen abhob. Er bestand aus einem harten Material, aber das rosa Schnäuzchen und das Fell waren ganz fein und sorgfältig gearbeitet, um den Anschein von Weichheit zu vermitteln. Schaltete man die Lampe an, erstrahlte der Körper hell, und man glaubte für einen Augenblick, der Hase wäre lebendig und würde jeden Moment das Näschen rümpfen. Jeder Gegenstand hat seine Geschichte. Da stellt dieser hier keine Ausnahme dar, ganz besonders, weil er verflucht ist.