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17.09.2021 Preis der Leipziger Buchmesse

Preis der Leipziger Buchmesse 2021 für Iris Hanika, Heike Behrend und Timea Tankó

Iris Hanika, Heike Behrend und Timea Tankó haben heute den Preis der Leipziger Buchmesse 2021 im Rahmen von Leipzig liest extra, einer Veranstaltung der Leipziger Buchmesse, erhalten. Die siebenköpfige Jury um den Vorsitzenden Jens Bisky zeichnete Iris Hanika in der Kategorie Belletristik für ihr Werk „Echos Kammern“ (Literaturverlag Droschl ) und Heike Behrend in der Kategorie Sachbuch/Essayistik für ihr Buch „Menschwerdung eines Affen. Eine Autobiografie der ethnografischen Forschung“ (Matthes & Seitz Berlin) aus. In der Kategorie Übersetzung würdigte die Jury Timea Tankó für die Übersetzung aus dem Ungarischen von „Apropos Casanova. Das Brevier des Heiligen Orpheus“ (Die Andere Bibliothek) mit dem renommierten Preis. Insgesamt 389 Werke wurden für den diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse eingereicht.

Kategorie Belletristik

Iris Hanika | Echos Kammern | Literaturverlag Droschl

Zur Begründung der Jury:

„Bevor ich bin gereist nach New York, ich war in Sorge. Weil war das große Reise über Atlantik und war das auch lange Reise – zehn Wochen ist lang, in diese Zeit viel kann geschehen.“ Ja, es ist viel. Doch was genau in Iris Hanikas herrlich palimpsesten Roman zwischen Berlin und New York geschieht, ist kaum seriös in aller Kürze zu erzählen. Es blitzt und spiegelt, experimentiert nur so vor sich hin. … Diese Autorin ermächtigt sich, den Mann mit den Mitteln des Jahrtausendealten männlichen Blicks zu betrachten. Josh, Narziss, der Mythos wird zum Resonanzraum, in dem sein eigener Hohlkörper sichtbar wird, Iris Hanika schiebt ihn sachte in eine ihrer Echokammern. Nicht zuletzt hier weist sich die Autorin als kluge, witzige und wüste Erzählkonstrukteurin aus. Iris Hanika schreibt unbeirrt und seit fast drei Jahrzehnten ihre Literatur, schreibt auf ihrem Stern, an ihrem Stern. Als eine der eigensinnigsten Stimmen der deutschen Gegenwartsdichtung, die mit brutal klarem und unverschämten Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse schauen kann. Und dann wieder unheimlich erheitert. Iris Hanika übt in aller Virtuosität ihre Sprachexperimente aus und ja, sie hat diebische Freude daran, dass sie das jeden Moment den Roman kosten könnte. Eben dieses riskante Schreiben zeichnet sie aus.

Autorin:

Iris Hanika wurde 1962 in Würzburg geboren. Ihr umfangreiches Werk, u. a. die Erzählungen Katharina oder Die Existenzverpflichtung (Fannei & Walz, 1992), Treffen sich zwei (2008),Tanzen auf Beton (2012), Wie der Müll geordnet wird (2015, alle drei im Literaturverlag Droschl) bescherten der Autorin zahlreiche Preise, darunter den Hans-Fallada-Preis 2006, den European Union Prize for Literature 2006 und den Hermann-Hesse-Literaturpreis 2020.

Kategorie Sachbuch und Essayistik

Heike Behrend | Menschwerdung eines Affen. Eine Autobiografie der ethnografischen Forschung | Matthes & Seitz Berlin

Zur Begründung der Jury:

Nur wer sich selbst für die Welt öffnet, wird auch in ihr heimisch werden. Diese Erfahrung ist das zentrale Moment des Buchs von Heike Behrend. Die eigene Neugier der Ethnologin stieß während ihrer Feldforschungsaufenthalte auf die der besuchten Gruppen und sie selbst wurde zum Gegenstand der Beobachtung durch ihre Gastgeber. Es gehört viel Selbsterkenntnis dazu, sich erkannt zu fühlen. „Menschwerdung eines Affen“, benannt nach der sich wandelnden Zuschreibung, die man ihr in den kenianischen Tugenbergen als Forscherin, die dort zur Freundin wurde, angedeihen ließ, legt Zeugnis davon ab, dass Heike Behrend diese Befähigung besitzt. Und mit ihrer Betrachtung der Betrachter ihrer selbst als Betrachterin gewinnt sie auch eine Perspektive auf die eigene Kultur – sowohl verstanden als nationale wie als disziplinäre. Geisteswissenschaft in der Form, wie Heike Behrend sie teilnehmend beschreibt, ist im besten Sinne Geistesbeschwörung: Sie provoziert zu einem Blick, der intellektuell agiert statt visuell. Ihr Buch ist eine ebenso köstliche wie kostbare Lektüre, die unsere Horizonte weit verschiebt, ohne dabei eine politische Agenda vermitteln zu wollen. Es ist geboren und geschrieben aus der Emphase für die Gemeinsamkeit dessen, was Menschsein ausmacht: die Überwindung von Vorurteilen. Solchen seiner selbst über andere und solchen anderer über einen selbst. Es ist ein erhellendes Buch in diesen sich verdunkelnden Zeiten.

Autorin:

Heike Behrend studierte Ethnologie und Religionswissenschaft. Sie arbeitete ethnografisch vor allem in Ostafrika und unterrichtete an verschiedenen Universitäten. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher und Aufsätze, u. a. Alice und die Geister. Krieg im Norden Ugandas (Trickster, 1993) und Contesting Visibility. Photographic Practices and the „Aesthetics of Withdrawa” along the East African Coast (transcript, 2013).

Kategorie Übersetzung

Timea Tankó | „Apropos Casanova. Das Brevier des Heiligen Orpheus“ von Miklós Szentkuthy übersetzt aus dem Ungarischen | Die Andere Bibliothek

Zur Begründung der Jury

Wie lässt sich so etwas Quecksilbriges, sich jeder Zuordnung Entziehendes, wild Fantasierendes und zugleich messerscharf Argumentierendes in eine andere Sprache bringen? Die Antwort kann nur lauten: indem man mitdenkt. Und nichts anderes tut Timea Tankó. Ihre deutsche Fassung wird der intellektuellen Beweglich-, ja Quirlichkeit Szentkuthys absolut gerecht, dank ihr gerät man unweigerlich in den Sog seiner kapriolenhaften Gedankenflüge – und ohne, dass einem flau dabei wird. Er und sie, Miklos und Timea, diese beiden Liebenden der Sprache, können aber auch ganz anders, konkret-anschaulich und poetisch-bildhaft zugleich: „An einem Vormittag“, heißt es da, „war das Meer ungewöhnlich blau, die kleinen weißen Wellenspalten waren besonders parallel und zahncremefrisch, die Luft war sportlich klar, die Möwen wirkten einen Hauch melancholischer, herbstblattähnlicher als sonst, die fernen griechischen, persischen und russischen Yachten vibrierten noch höher über den Horizont als sonst – und wegen dieser kleinen Frühlingskomposition, die einen halben Augenblick zuvor noch nicht einmal ansatzweise so aussah und im nächsten ihren fröstelnden Maifestcharme bereits verloren hatte, musste Rom untergehen.“ Wow. Was für ein Satz, was für ein Schmelz in den Beschreibungen, welch ein sanfter Rhythmus, und was für ein eiskalter Knalleffekt am Ende. Dafür, dass sie sich dieser Prosa einfühlsam und doch selbstbewusst angeschmiegt und dabei immer die Spannung gehalten hat, dafür danken wir Timea Tankó.

Übersetzerin:

Timea Tankó, 1978 in Leipzig geboren, arbeitet als Dolmetscherin sowie als Übersetzerin ungarischer und französischer Literatur. Neben Übertragungen u. a. von Werken István Keménys, Antal Szerbs und György Dragománs ins Deutsche brachte sie z. B. auch Texte Esther Kinskys ins Ungarische. Zuletzt wurde sie mit dem Exzellenzstipendium des Deutschen Übersetzerfonds 2020 ausgezeichnet. Sie lebt in Berlin.

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