BELLETRISTIK

© Heike Steinweg / Suhrkamp Verlag

Heike Geißler: "Die Woche" (Suhrkamp Verlag)

Über das Buch

"Politik, Europa, Gegenwart, Alltag, das kann einem ja nun keiner erzählen, dass das keine Auswirkungen hat", ruft die Erzählerin ihrer Freundin Constanze zu. Zusammen sind sie die proletarischen Prinzessinnen – "Prinzessinnen, wie sie nicht in jedem Buche stehen. Aber wartet nur, wir schreiben uns in die Bücher hinein". Zusammen wollen sie Widerstand leisten, eine Revolte anzetteln, die alten Märchen überschreiben. Denn etwas ist aus den Fugen geraten und alte Sicherheiten gehen verloren. Höchste Zeit also, für radikalen und klugen Protest, Spaß und Lebendigkeit jedwede Ohnmacht zu überwinden.

Zur Begründung der Jury

Immer wieder ist Montag in der Woche von Heike Geißlers Protagonistin und damit Auftakt des familiären Alltags sowie zugleich der Tag der Legida-Aufmärsche und Gegendemos am Handlungsort Leipzig. Wenn politisch engagierte Literatur so viel Witz hat, ist das ein Glück.

Über die Autorin

Heike Geißler, 1977 in Riesa geboren, ist Autorin, Übersetzerin und Mitherausgeberin der Heftreihe „Lücken kann man lesen“. 2002 erschien ihr Debütroman ROSA, 2007 NICHTS, WAS TRAGISCH WÄRE (beide DVA) sowie 2014 der Roman SAISONARBEIT bei Spector Books, der in etliche Sprachen übersetzt wurde. Heike Geißler wurde mit zahlreichen Stipendien und Preisen ausgezeichnet und lebt in Leipzig.

Leseprobe

Dies ist eine alte, alte Geschichte.
Es ist eine Geschichte aus einer Zeit, in der die Montage noch zum Fürchten waren. Mittlerweile sind es die Samstage, oder es sind die Samstage und die Montage, oder es ist jeder Tag.
Und wir klagen darüber und wimmern darunter und wetzen uns die Zähne an den feindseligen Artikeln und Gebärden ab.
Wir sind so zuverlässig bedroht.
Wir lernen erst später, gelassener zu sein und entschieden und stark.
Wir stehen dann auf der Slackline unseres Lebens, stehen maximal dreißig Zentimeter über dem Erdboden und sagen:

Meine Damen und Herren! Sehen Sie jetzt die Überquerung eines Abgrunds zweier waghalsiger Demokratinnen, die es auf eine andere Demokratie anlegen. Sehen Sie, wie die beiden abstürzen und sterben, und sehen Sie, was dann passiert.

Gleich sind alle meine Briefe Abschiedsbriefe, aber das bleibt bitte unter uns. Ich weiß auch noch nicht, von wem oder wovon ich mich verabschiede.
»Die Ereignisse der letzten Monate greifen Sie also regelrecht körperlich an«, kommentiert der Journalist.
»Oh ja«, sagt Laurie Anderson, »das tun sie.«
Ja, sage ich, das tun sie. Und wie sie das tun.
Ja, sagen wir, das werden sie getan haben.