SACHBUCH/ESSAYISTIK

© Barbara Herrenkind

Horst Bredekamp: "Michelangelo" (Verlag Klaus Wagenbach)

Über das Buch

Mit ikonisch gewordenen Werken wie dem David, der Erschaffung Adams in der Sixtinischen Kapelle oder Bauten wie der Kuppel des Petersdoms gehört Michelangelos Schaffen zweifelsohne zum kulturellen Menschheitserbe. In seiner monumentalen Gesamtdarstellung fasst Horst Bredekamp das Genie Michelangelo auf beispiellose Weise. Er nimmt dessen Leben vom Werk aus in den Blick und begreift das Œuvre als Stimulus der Vita. Ebenso empfindsam wie präzise untersucht Bredekamp jedes einzelne Kunstwerk von der Hand Michelangelos im zeitgeschichtlichen und kunsthistorischen Kontext sowie innerhalb der Entwicklung des Künstlers.

Zur Begründung der Jury

Umfassend und zugleich mit Liebe zum Detail präsentiert Horst Bredekamp Leben und Werk Michelangelos. Seine reich bebilderte Monografie lädt zur kulinarischen Lektüre ebenso ein wie zum Nachschlagen und ist jetzt schon ein Standardwerk der Kunstgeschichte.

Über den Autor

Horst Bredekamp, geboren 1947, ist Professor für Kunstgeschichte an der Berliner Humboldt-Universität. Gastaufenthalte führten ihn nach Princeton, ans Getty Center in Los Angeles sowie nach Budapest. In seinen zahlreichen Studien widmet er sich unter anderem der Renaissance sowie den Neuen Medien. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, z.B. 2017 mit dem Schillerpreis der Stadt Marbach.

Leseprobe

Bereits für seine Zeitgenossen war Michelangelo schier unbegreiflich. Dies lag nicht allein an seiner Produktivität, die ihn in jeder der drei Hauptgattungen, der Skulptur, der Malerei und der Architektur, zu einem Gesamtwerk führte, das für mehr als nur einen Künstler gereicht hätte. Was ihn erhaben wirken ließ, war vor allem die Unbedingtheit seiner Formen, die in der Weigerung, Erwartungen zu erfüllen, ihre Umwelt überwältigte. Jedes seiner Werke bedeutet bis heute den Einbruch des freien Spiels in die Zeit. Es ist der Überschuss der Form, der Michelangelos Oeuvre in der Resonanz zwischen Schöpfer, Opus und Betrachter einen unbeherrschbaren Status vermittelt. Die Werke waren seine Produkte, aber als ihr Schöpfer wurde er von ihnen seinerseits in unvorhersehbare Dimensionen getrieben. Das Leben Michelangelos ist eine Aktionsgeschichte seiner eigenen Formwelten – und sei es die ihrer Zerstörung.